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Lofoten 2024

Auch wenn es durch meine Touren anders wirkt: Ich bin eher für heiße als für kalte Temperaturen gemacht und fühle mich in der Hitze Italiens oder Spaniens eigentlich wohler als in der Kühle Nordeuropas. Nach meiner Island-Tour hatte ich mir deshalb gesagt, dass ich meine Wunschreisen in den Norden abgeschlossen haben sollte, bevor ich die 50 überschreite. Nachdem ich in den letzten Jahrzehnten fast alle meine nördichen Sehnsuchtsorte besucht hatte, fehlte nur noch einer: Lofoten.

Mit zwei Jahren Verspätung war es im Hochsommer 2024 endlich soweit: Mit neuem Zelt, renoviertem Rad und unendlich viel Gepäck habe ich mich noch ein (letztes?) Mal in den hohen Norden gewagt. Diesmal ging es wirklich weit nach "oben" jenseits des nördlichen Polarkreises. Hier ist mein Bericht.

Vorbereitung und Anreise

Es ist schon merkwürdig: Obwohl ich durch meine Erfahrung mit vielen Radtouren immer besser justieren kann, was ich während der Reise brauche und vor allem, was nicht, ist mein Rad doch über die Jahre immer schwerer geworden. Einerseits weiß ich inzwischen, wie viele Wäscheklammern oder Ersatzschläuche und welches Werkzeug ich wirklich brauche, andererseits sichere ich mich mit dem Älterwerden immer mehr gegen Eventualitäten ab, die ehrlich gesagt eher unwahrscheinlich sind. Bei dieser Tour habe ich zum Beispiel vier verschiedene Arten von Flickzeug dabei: Für die Schläuche, für die Reifen, fürs Zelt und für die Gepäcktaschen. Auf die Idee, soviel Ballast mitzunehmen, wäre ich als 20-jähriger natürlich nicht gekommen. Ich habe mir auch im Vorfeld etliche Sachen vorsichtshalber neu gekauft, obwohl sie vielleicht noch mal mitgespielt hätten. Von den zivilen Outdoor-Klamotten über zahlreiche Fahrradkomponenten bis hin zum neuen Zelt.

Diesmal habe ich auch Fertignahrung für den Kocher für alle geplanten Reisetage mit dabei, weil ich so etwas erfahrungsgemäß in dünn besiedelten Landschaften nicht so einfach bekommen kann. Und auch das Wetter lässt sich jenseits des Polarkreises nur sehr grob vorhersagen. Also habe ich mir Klamotten eingepackt, mit denen ich tagelang durch Regen und wahrscheinlich sogar im Schnee fahren könnte. Ziemlich an der Realität vorbei, wie sich bald herausstellen soll.

Ich habe diesmal lange überlegen müssen, wie ich das mit der Anreise gestalte. Das Flugzeug fiel von vornherein aus, nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch, weil es einfach keinen mehr Spaß mehr macht, mit einem Fahrrad und viel Gepäck zu fliegen. Ich fahre schließlich von Süddeutschland aus mit dem Auto an die Nordspitze Dänemarks. In Frederikshavn parke ich meinen Polo auf einem öffentlichen Platz und rolle spät am Abend auf die Fähre, die mich in zehn Stunden über Nacht nach Olso bringt. Am frühen Nachmittag des nächsten Tages fahre ich von dort aus sieben Stunden mit dem Schnellzug nach Trondheim und am Abend nach drei Stunden Aufenthalt mit dem Nachtzug in zehn Stunden nach Bodø. Das spricht man übringens nicht "Bodö" aus, sondern eher wie "Bude" in Bruchbude..

Nach einem ersten Supermarktbesuch geht es dann noch mal auf die Fähre und nach weiteren knapp vier Stunden bin ich dann endlich auf Lofoten. Ich bin von der ganzen Anreise allerdings so fertig, dass ich nur noch auf den nahen Campingplatz rolle und für lange Zeit im Zelt verschwinde.

Moskenesøy

Lofoten könnte man grundsätzlich in zwei groben Richtungen erkunden: Entweder von Südwest nach Nordost oder umgekehrt. Da das Wetter schon am Anfang recht gut werden soll, und weil ich nicht weiß, wie weit mich meine Kondition bringen wird, entschließe ich mich für die klassische Route, die im Südwesten auf der Insel Moskenesøy beginnt. So habe ich zwar die spektakulärsten Berge gleich am Anfang und es wird später tendenziell langweiliger, aber immerhin schaffe ich diesen Teil der Inselgruppe dann auf jeden Fall.

Los geht es im entlegenen Dorf Å bei fantastischem Wetter. Noch vor dem Frühstück komme ich kurz vor Reine an den Wanderweg zum darüber gelegenen Reinebringen. Weil ich natürlich auch einmal dieses eine Foto machen will – Sie wissen schon welches ... genau, siehe unterhalb dieses Absatzes – beschließe ich, das Rad abzuschließen, die Schuhe zu tauschen und die knapp 1.600 Stufen in Angriff zu nehmen. Der Aufstieg ist für einen einigermaßen trainierten Radfahrer oder Wanderer mit halbwegs vernünftigen Schuhen kein Problem. Ich habe laut GPS-Aufzeichnung 35 Minuten dafür gebraucht. Aber trotz aller Warnungen an der Schautafel am Weganfang sehe ich dennoch zahlreiche Menschen in Sandalen, mit kleinen Kindern an der Hand oder auf dem Rücken und sogar mit Hunden hinaufrennen. Für viele endet der Aufstieg dann japsend auf einer Steinbank am Wegesrand. Nehmen Sie das also wirklich ernst, was die Norweger sagen: Dieser Weg ist kein Spaziergang!

Die einzelnen Inseln Lofotens sind meist durch Brücken miteinander verbunden, seltener durch Tunnel, dazu später mehr. Nach der ersten Brücke dieser Art komme ich schon bald auf die nächste Insel Flakstadøy und fahre dort bis zum Campingplatz neben der "Hauptstadt" Flakstad. Das Zelt steht praktisch direkt am Strand. Leider ist das Wetter wieder etwas rauher geworden, an Baden ist nicht zu denken. Nach einem windigen Abendessen ziehe ich noch einmal ohne Gepäck los und besuche das historische Fischerdorf Nusfjord. Der Weg dahin hat sich auf jeden Fall gelohnt, das Dorf selber eher nicht. Es scheint eher als Touristenattraktion gedacht zu sein als tasächlich als Museum.

Von Flakstad nach Unstad

Strände sollen auch den nächsten Tag domieren. Ich fahre zunächst durch den Nappstraumtunnelen auf die nächste Insel Vestvågøya. Die Fahrbahn im Tunnel ist mit zu 8 Prozent Steigung recht anstrengend zu fahren. Ich bin auf dem Podest gefahren, das neben der eigentlichen Fahrbahn verläuft, aber das ist eigentlich zu schmal für ein schweres Rad. Jeder LKW hat mich aus dem Tritt gebracht. Diese ganzen Tunnel in Nordnorwegen haben mich deutlich mehr gestresst als zum Beispiel auf den Färöer, vor allem, weil hier viel mehr Verkehr ist. Eigentlich bin ich ja durchaus robust, aber die Frage, ob mich wirklich jeder LKW sieht, hat mich dann doch immer unterschwellig durch den Tunnel begleitet. Vor allem die beiden Unterwasser-Tunnel habe ich physisch und mental als sehr anstrengend empfunden.

Auf Vestvågøya habe ich zwei Ziele für den heutigen Tag: Die berühmten Strände Vik und Hauklandstranda und später noch den Strand bei Unstad. Letzteren hat mir meine Nachbarin während der Anreise empfohlen und ich beschließe, ihn in meine Tour einzubauen. Eigentlich bin ich damit dann auf der falschen Seite der Insel und muss später irgendwie in den Süden kommen. Aber das soll ein Problem des nächsten Tages sein, nicht für heute.

Ich entscheide mich also bewusst gegen die übliche Fahrradroute, die an der E10 zunächst nach Leknes und dann an der Südküste der Insel Vestvågøya entlang führt. Stattdessen biege ich nach Norden ab und umrunde an der Küste den kleinen Berg Veggen auf einem sehr empfehlenswerten Rad- und Fußweg. Die Strände sind für mich leider nicht nutzbar, denn es ist viel zu kalt im Wasser, glaube ich zumindest.

Nach dem Besuch eines Supermarktes in Borg fahre ich dann nach Nordwesten zum "Geheimtipp" Unstadstranden. Es ist dann aber erstaunlich voll dort. Zahlreiche Surfer tummeln sich in den gar nicht mal so spektakulären Wellen. Der Campingplatz ist ein schlechter Witz. Der Betreiber hat keine Rezeption, sondern bittet um eine Überweisung. Duschen gibt es keine, was mich dann doch noch ins eiskalte Wasser treibt, und ein WC finde ich auch nicht. Ich verweigere daher die Zahlung und betrachte die Nacht als mein erstes wildes Camping dieser Tour.

Wobei das mit der Nacht relativ ist. Immer noch geht die Sonne nicht unter, sie scheint jetzt mangels Wolken tatsächlich rund um die Uhr und holt mich mit ihrer Wärme sehr früh aus dem Zelt. Es ist nämlich genau wie mein Schlafsack mindestens herbst-, wenn nicht gar winterfest. Das ist jetzt natürlich nicht gerade ein Vorteil.

Vestvågøya und Henningsvær

Am nächsten Morgen versuche ich, vom gemäßigten Norden der Insel Vestvågøya an deren etwas wildere Südküste zu kommen, weil ich mir davon spektauläre Aussichten auf Berge und Küsten verspreche; zu Recht, wie sich noch herausstellen soll. Leider habe ich meine App Pocket Earth zunächst falsch bedient. Ich lasse mir von ihre eine Radroute quer über die Insel heraussuchen, merke aber erst sehr spät, dass ein Fahrrad für diese App ein Mountainbike ist. Weil ich keine Lust habe, zurückzufahren, beschließe ich, das Beste daraus zu machen und mein Glück zu versuchen.

Ich baue die Tour noch etwas um und fahre schließlich auf einem gerade so fahrbaren Feldweg ins Inselinnere. Dort treffe ich auf einen Wanderweg, dem ich nun etwas mehr als einen Kilometer schiebend bergab folgen muss, bevor ich dann wiederum auf die ersten Forstwege treffe, die von der Südküste aus heraufkommen. Notfalls, sage ich mir, muss ich eben Gepäck und Fahrrad in drei Etappen schultern. Aber das Glück ist mal wieder mit den Tüchtigen: Ich kann das Rad den ganzen Wanderweg inklusive volles Gepäck durch die Sumpflandschaft und die Hügel bergab bugsieren, auch dank der wasserdichten Socken, die ich mit extra anziehe. Und ich habe das exklusive Gefühl, dass hier bestimmt noch miemand auf einer Radreise durchgekommen ist.

An der Südküste von Vestvågøya fahre ich zügig weiter ostwärts auf die nächste Insel Austvågøya. Ich möchte zum legendären Fischerdorf Henningsvær. Dort kann ich zwar mangels einer Drohne nicht dieses eine spektakuläre Foto des Fußballplatzes machen, aber der Besuch hier hat sich auf jeden Fall gelohnt. Auch wenn ich einen Teil der Straße wieder zurückfahren muss und auch trotz der beachtlichen Zahl an Touristen. 

Austvågøya und Hinnøya

Bei inzwischen wirklich traumhaftem Wetter fahre ich weiter über die Insel Austvågøya, praktisch immer an irgendeinem Fjord entlang entlang. Die Sonne scheint permanent, ich muss mich sogar mit Sonnencreme schützen. Gleichzeitig lauert hinter jeder Biegung ein anderer Wind, was dazu führt, dass ich mich den ganzen Tag über aus- und wieder anziehen muss. Die Berge und Aussichten werden jetzt erwartungsgemäß etwas weniger spektakulär, was nicht nur einem gewissen Gewöhnungseffekt geschuldet ist. Svolvær ist eine “größere” Stadt, in der ich richtig einkaufen kann. Hier gibt es auch einen Hafen, welcher dem größten Ort des Lofoten eine gewisse Bedeutung gibt.

Wenn ich richtig gezählt habe, dann führt mich meine Tour heute durch insgesamt acht Tunnel, allesamt erträglich mit moderatem Verkehr. Irgendwann wechsele ich auf die nächste Insel Hinnøya, auf der ich auch einen Campingplatz vorfinde, der mich mit seiner Waschmaschine dazu verführt, gleich zwei Nächste zu bleiben. Eigentlich ist der Platz nicht sehr attraktiv, weil er gerade umgebaut wird, aber egal. Hauptsache mal wieder frische Wäsche.

 

Auf nach Schweden

Ich verlasse heute Lofoten und begebe mich aufs norwegische Festland. Grob soll es jetzt nach Narvik gehen und von dort aus soweit wie möglich nach Süden, bis ich wieder an der Bahnstreck Trondheim-Bodø herauskomme, zum Beispiel in Fauske. Zunächst muss ich mitten im Sumpfland einen Schlafplatz finden. Das norwegische Jedermannsrecht hilft mir hier nicht weiter. Entweder sind Häuser direkt in der Nähe oder ich versinke im Morast. Mit Müh und Not finde ich ein Plätzchen an einem Parkplatz. Mein Zelt hätte aber nicht ein kleines bisschen größer sein dürfen.

Für den Fall guten Wetters, ausreichender Kondition und passender Gesundheit habe ich mir außerdem noch ein Extra vorgenommen: Ich möchte einen Abstecher nach Schweden machen. Und so biege ich am nächsten Tag kurz vor Narvik von der E6 ab und folge der E10 in Richtung schwedischer Grenze. Fast hätte ich es dabei übertrieben, weil ich den Anstieg etwas unterschätzt habe. Ich komme mit wirklich allerletzter Kraft im Wintersport-Resort Björkliden an. Wenn die keinen Platz für mich gehabt hätten, dann wäre ich vermutlich trotzdem da geblieben und hätte eben vor der Rezeption gezeltet.

Torneträsk und Rückkehr nach Norwegen

Abgesehen von der netten Geschichte, auch in Schweden gewesen zu sein, gibt es natürlich auch noch einen anderen Grund für diesen Abstecher, der sehr typisch ist für mich: Ich bin ja neben allen anderen Hobby auch ein großer Eisenbahn-Fan und hier am See Torneträsk kann ich die stärksten Elektrolokomotiven und die längsten und schwersten Güterzüge Europas bewundern. Dazu quartiere ich mich für zwei Nächte auf dem Campingplatz des Wintersport-Resorts Björkliden ein und überdauere so nebenbei einen der wenigen Regentage meiner Tour. Neben dem ausgedehnten Studium der Eisenbahnanlagen unternehe ich auch noch einen Spaziergang zum See.

Danach geht es wieder zurück nach Norwegen auf der gleichen Strecke bis hinunter nach Narvik. Unterwegs habe ich noch eine denkwürdige Unterhaltung mit einem Polizisten, der mich in einem Tunnel überholt. Er will von mir wissen (nicht umgekehrt), ob ich im Tunnel radfahren darf. Ich bejahe diese Frage wahrheitsgemäß und führe damit zu großer Zufriedenheit auf beiden Seiten.

Tourabschluss

So langsam verliere ich die Lust am Weiterfahren. Das hat vor allem zwei Gründe: Meine Wahl des Sattels war eine Fehlentscheidung. Selbst am Rennrad ist mir das Modell inzwischen etwas zu weich und damit nicht für längere Fahrten geeignet. Das rächt sich hier auf den sehr langen Strecken, denn ich kann inzwischen einfach nicht mehr sitzen und gehe immer nur aus dem Sattel. Da muss ich mir für die nächste Tour etwas einfallen lassen.

Aber dazu kommt auch der unheimlich starke Autoverkehr hier auf der landesinneren E6. Ich überlege noch, dem etwas auszweichen in Richtung Leirvikbogen und dann die Fähre zu nehmen nach Bodø. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das zeitlich hinkommt und ich meinen Zug auf jeden Fall bekommen würde. Außerdem sieht es wieder nach Regen aus. Daher beschließe ich, diese tolle Radtour am Campingplatz Notvatn zu beenden. Ich nehme von hier aus den Bus nach Fauske und verbringe dort noch einen Regentag.

Heimreise

Der letzte Tag einer solchen Radtour ist traditionell ein Puffertag, denn die Rückfahrt muss ja auf jeden Fall pünklich beginnen. Eine Punktlandung zu versuchen, ist da immer etwas gefährlich. Es war in diesem Jahr sowieso eine gute Idee, so zu kalkulieren, denn der Tag vor der Rückfahrt ist völlig verregnet. Ich versuche das beste daraus zu machen und laufe etwas durch Fauske. Da das sehr schnell erledigt ist, nehme ich noch den Zug nach Bodø und besuche dort das Luftfahrtmuseum.

Nach der ewig langen Zugfahrt zurück nach Süden habe ich noch knapp einen Tag in Oslo, den ich für einem ausgedehnten Stadterkundung nutze. Einen kleinen Schreckmoment erlebe ich noch im Bahnhof von Oslo. Mein perfekt (und ziemlich versteckt) geparktes Reiserad samt Gepäck ist nach dem Rückkehr verschwunden. Es wurde aber nicht geklaut, sondern nur vom Bahnhofsaufseher in die Gepäckaufbewahrung bugsiert. Nachem man mir die Ohren etwas länger gezogen hat (Parkverbot im Gebäude!) bekomme ich aber alles wieder.